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Der Politikerverschleiß
Aperçu über die Politikverdrossenheit der Politiker, erster Entwurf erstellt am 26.05.,
veröffentlicht am 27.05.2010, also vier Tage
vor dem Rücktritt des Bundespräsidenten Köhler
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Erinnern Sie sich noch daran, wie Oskar Lafontaine das Amt des SPD-Vorsitzenden aufgegeben hat, wie Franz
Müntefering ging, dann wiederkam, und schließlich noch mal abtrat, und wie Gregor Gysi dasselbe hin und her
dann auch bei den Linken inszeniert hat? Nun, wenn Sie das nicht vergessen haben, dann werden Sie sicher
auch noch vor Augen haben, wie die Herrn Clement, Steinbrück, Merz, Waigel und (oh Gott) Fischer, die Politik
mit (etwa) Mitte fünfzig verlassen haben, um anderswo so genannte neue Herausforderungen anzunehmen.  
Dabei ist es ja ansonsten noch gar nicht so lange her, dass ein Staatsmann bis ins hohe Rentenalter (Adenauer,
Wehner, Deng Xiao Ping, Senator Byrd) seiner Berufung treu blieb, und dem Publikum noch mit 80 seine
Deutungshoheit zum Besten gab.

Man wird sich daher die Frage stellen müssen, was es denn wohl ist, dass vergleichsweise junge Menschen, wie
den Herrn Koch aus Hessen, dazu bringt, der unmittelbaren Öffentlichkeit ade zu sagen, und ein anderes,
angeblich reizvolleres Dasein anzustreben. Denn dass diese Berufspolitiker, die in ihrem Leben nie was anderes
als Politik gemacht haben, tatsächlich noch fremde, unbefriedigte Berufsinteressen haben könnten, dass wird
man ihnen trotz ihrer diesbezüglichen Beteuerungen nicht ohne weiteres abkaufen können.    

Nein, wenn es hier etwas gibt, das man unserer Politikwirklichkeit attestieren muss, dann sind dies im
Wesentlichen die folgenden beiden Punkte:

Erstens, es kann keinen Zweifel daran geben, dass Politiker, wie wir alle auch, dünnhäutiger und
schmerzempfindlicher geworden sind, und es folglich weniger gut aushalten können, wenn sie sich mit ihren
Stellungnahmen mal in eine Position manövriert haben, in der sie von der Öffentlichkeit geschnitten werden.

Zweitens, es ist in der Tat so, dass die Selbstgerechtigkeit, mit der wir im Alltag unterwegs sind, es nahezu
unmöglich macht, uns noch angemessen zu regieren. Denn bei jedem von uns steht das private und berufliche
Eigeninteresse so sehr im Vordergrund, dass wir uns davon kaum noch distanzieren können. Es ist daher auch
kein Wunder, dass man den hier in Rede stehenden Politikerverschleiß vor allem auch auf der kommunalen
Ebenen konstatieren kann. Hier nämlich, wo sich das Persönliche am unverblümtesten mit dem Allgemeinen trifft,
und wo man dafür auch keinen medialen Blumentopf gewinnen kann, da ist es schon seit Jahren so, dass es den
Parteien nur mit Mühe gelingt, ihre Listenplätze mit halbwegs geeigneten Kandidaten zu füllen.

So scheint sich also die alte Platonische These vom Kreislauf der Systeme zu bestätigen, wonach eine
Demokratie notwendigerweise in die Anarchie führen und daraus unweigerlich eine Diktatur hervorgehen muss,
die ihrerseits dann wieder den Boden für eine spätere Demokratie bereiten wird. Und doch, so sehr es auch so
aussehen mag, als ob der demokratische Verfallsprozess unaufhaltsam ist, so sehr möchten wir an dieser Stelle
doch auch ausrufen, dass noch nicht alles verloren ist.
Denn noch wird man ja darauf hoffen können, dass etwa
eine gemeinsam erlittene, zukünftige Not die Solidarität der Menschen wieder stärken, und ihnen so einen neuen,
nicht hysterischen Umgang miteinander ermöglichen wird.

Dass es aber dazu kommt, dazu wird es nicht mehr und nicht weniger als eines Wunders der Freiheit bedürfen.
Und so wird man hier also nur mit dem Hinweis verbleiben können, dass es falsch wäre, von vorneherein
auszuschließen, dass es zu einem derartigen Freiheitswunder wahrlich kommen kann.
© Landei Selbstverlag, Inh. Wilhelm Leonards, Gerolstein

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Stichworte

Politikverdrossenheit, Burnout-Syndrom bei Politikern, Politikmuedigkeit, Verschleiss in
Fuehrungsaemtern,
Realitaet des Berufspolitikers, Erschoepfung im Amt, Verschleiss des
Fuehrungspersonals
, Wunder der Freiheit, Magie der Demokratie, Platons Kreislauf der Systeme